E.M. Remarque by Der Funke Leben

E.M. Remarque by Der Funke Leben

Autor:Der Funke Leben [Der Funke Leben]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


XIV

Ich will einen Pries­ter«, jam­mer­te Am­mers.

Er jam­mer­te es schon den gan­zen Nach­mit­tag. Sie hat­ten ver­sucht, es ihm aus­zu­re­den, aber es hat­te kei­nen Zweck ge­habt.

Es war plötz­lich über ihn ge­kom­men.

»Was für einen Pries­ter?« frag­te Le­ben­thal.

»Einen ka­tho­li­schen. Wo­zu fragst du das, du Ju­de?«

»Sieh da!« Le­ben­thal schüt­tel­te den Kopf. »Ein An­ti­se­mit! Das hat uns hier ge­ra­de noch ge­fehlt.«

»Es gibt ge­nug im La­ger«, sag­te 509.

»Ihr habt schuld!« ze­ter­te Am­mers. »An al­lem! Oh­ne euch Ju­den wä­ren wir nicht hier.«

»Was? Warum denn das nicht?«

»Weil es dann kei­ne La­ger gä­be. Ich will einen Pries­ter!«

»Schäm dich, Am­mers«, sag­te Bu­cher auf­ge­bracht.

»Ich brau­che mich nicht zu schä­men. Ich bin krank! Holt einen Pries­ter.« 509 sah auf die blau­en Lip­pen und die ein­ge­sun­ke­nen Au­gen.

»Es gibt kei­nen Pries­ter im La­ger, Am­mers.«

»Sie müs­sen einen ha­ben. Es ist mein Recht. Ich st­er­be.«

»Ich glau­be nicht, daß du stirbst«, er­klär­te Le­ben­thal.

»Ich st­er­be, weil ihr ver­damm­ten Ju­den al­les auf­ge­fres­sen habt, was mir zu­kam. Und jetzt wollt ihr mir nicht ein­mal einen Pries­ter ho­len. Ich will beich­ten. Was wißt ihr da­von? Wo­zu muß ich in ei­ner Ju­den­ba­ra­cke sein? Ich ha­be ein Recht auf ei­ne Arier­ba­ra­cke.«

»Hier nicht mehr. Nur im Ar­beits­la­ger. Hier sind al­le gleich.«

Am­mers keuch­te und dreh­te den Kopf weg. Über sei­nem fil­zi­gen Haar stand an der Holzwand ei­ne In­schrift mit Blau­stift: »Eu­gen Mayer 1941 Ty­phus. Rächt ...«

»Wie ist es mit ihm?« frag­te 509 Ber­ger.

»Er müß­te schon längst tot sein. Aber heu­te ist, glau­be ich, wirk­lich sein letz­ter Tag.«

»Es sieht so aus. Er ver­wech­selt be­reits al­les.«

»Er ver­wech­selt nichts«, er­klär­te Le­ben­thal. »Er weiß, was er re­det.«

»Ich hof­fe nicht«, sag­te Bu­cher.

509 sah ihn an. »Er war ein­mal an­ders, Bu­cher«, sag­te er ru­hig. »Aber man hat ihn zer­schla­gen. Er ist nichts mehr von dem, was er ein­mal war. Das da ist ein an­de­rer Mensch, der aus Res­ten und Fet­zen von frü­her zu­sam­men­ge­wach­sen ist. Und die Fet­zen wa­ren nicht heil. Ich ha­be es ge­se­hen.«

»Einen Pries­ter«, jam­mer­te Am­mers wie­der. »Ich muß beich­ten! Ich will nicht in die ewi­ge Ver­damm­nis!« 509 setz­te sich auf den Bett­rand. Ne­ben Am­mers lag ein Mann des neu­en Trans­ports, der ho­hes Fie­ber hat­te und flach und rasch at­me­te.

»Du kannst das oh­ne Pries­ter, Am­mers«, sag­te 509. »Was hast du schon ge­tan? Hier gibt es kei­ne Sün­den. Nicht für uns. Wir bü­ßen al­les gleich ab. Be­reue, was du zu be­reu­en hat. Wenn kei­ne Beich­te mög­lich ist, ist das ge­nug. So steht es im Ka­te­chis­mus.«

Am­mers hör­te einen Mo­ment auf zu keu­chen. »Bist du auch ka­tho­lisch?« frag­te er.

»Ja«, sag­te 509. Es war nicht wahr.

»Dann weißt du es doch! Ich muß einen Pries­ter ha­ben! Ich muß beich­ten und kom­mu­ni­zie­ren! Ich will nicht in Ewig­keit bren­nen!« Am­mers zit­ter­te. Sei­ne Au­gen wa­ren weit auf­ge­ris­sen. Sein Ge­sicht war nicht mehr als zwei Fäus­te, und die Au­gen wa­ren viel zu groß da­für. Er hat­te da­durch et­was von ei­ner Fle­der­maus. »Wenn du Ka­tho­lik bist, weißt du, wie es ist. Wie das Kre­ma­to­ri­um; aber man ver­brennt nie und stirbt nie. Willst du, daß das mit mir pas­siert?« 509 sah zur Tür. Sie war of­fen. Ein kla­rer Abend­him­mel stand dar­in wie ein Bild.

Dann sah er zu­rück auf den ab­ge­zehr­ten Kopf, in dem die Bil­der der Höl­le brann­ten.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.